Die Corona-Pandemie verlagert die Arbeit gegen Rassismus ins Netz. Statt Lesungen, Diskussionsrunden oder Konzerte abzusagen, finden viele Veranstaltungen jetzt digital statt. Aktive suchen neue Wege, sich zu vernetzen und austauschen. Das klappt erstaunlich gut, sagt Simone Rafael, Chefredakteurin vom Internetportal Belltower.News der Amadeu Antonio Stiftung. Im Interview gibt sie Tipps, worauf bei Onlineformaten zu achten ist.

Wie verändert sich aktuell die Arbeit gegen Rassismus?

Was nicht mehr offline stattfinden kann, verlagert sich in die digitale Welt. Es ist erstaunlich, wie schnell die meisten Gruppen auf die Veränderung reagiert haben. Nach den ersten ein, zwei Schreckwochen haben sie direkt damit begonnen, Veranstaltungen oder Lesungen online zu organisieren. Es wurden neue Wege gesucht, um sich trotzdem sehen und miteinander diskutieren zu können. Für viele war das eine komplett neue Welt. Sie mussten erst einmal ausprobieren, was funktioniert. Fest steht: Die Onlineangebote werden sicher über die Corona-Pandemie hinaus als ein Format erhalten bleiben.

Wie gut klappt es, die Aktivitäten ins Netz zu verlagern?

Nicht alles geht, aber sehr viel. Anfangs gab es noch eine Hemmschwelle, aber jetzt nicht mehr. Die Menschen sind inzwischen daran gewöhnt, zu Hause am Rechner zu sitzen und so miteinander zu sprechen. Allerdings muss man etwas kreativ werden und vorher genau überlegen, was man mit der Veranstaltung erreichen will. Wichtig ist auch, gut dafür zu werben, unter anderem in Sozialen Medien wie Facebook oder Twitter.

Welche digitalen Formate bieten sich an?

Ganz einfach lassen sich Podiumsdiskussionen digital umsetzen. Also eine Veranstaltung mit einem Experten oder einer Expertin ohne Publikum bei YouTube oder Facebook als Livestream übertragen und die Zuschauer*innen können im Chat ihre Fragen stellen. Das funktioniert sehr gut. Unsere Erfahrungen sind vollkommen positiv. Selbst bei einer großen Veranstaltung zu Verschwörungstheorien und Antisemitismus kamen nur sachliche Fragen, es gab keinerlei Hassattacken. Die Zugriffszahlen gingen in die Tausende…

Ein Vorteil digitaler Formate?

Absolut. Die Reichweite ist viel größer. An analogen Veranstaltungen würden niemals so viele Menschen teilnehmen. Hinzu kommt, dass die Videos später noch im Netz angeschaut werden können. Auch bei digitalen Seminaren und Fortbildungen steigt die Zahl der Teilnehmenden: Die Menschen können bequem vom Schreibtisch aus mitmachen, müssen keine lange An- und Abreise in eine andere Stadt in Kauf nehmen.

Wofür sind digitale Angebote weniger gut geeignet?

Wenn es darum geht, Menschen zusammenzubringen und Erfahrungen auszutauschen. Da fehlt ganz klar die menschliche Interaktion, der Kaffee dazwischen oder das Bier danach. Die Hoffnung ist ja immer, dass sich Strukturen bilden. Das klappt online schwerer. Allerdings ist es trotzdem sinnvoll, mit solchen Formaten zu experimentieren. So lange es nicht anders möglich ist, ist es besser als nichts. Viele sind froh, sich überhaupt mit jemand austauschen zu können – auch wenn es nur digital ist.

Welche Tipps gibt es bei der Planung einer Veranstaltung im Netz?

Man muss etwas ausprobieren, welche Formate wie funktionieren. Bei kleineren Gruppen bis 30 oder 40 Personen ist eine Interaktion sehr gut möglich. Ich halte online viele Seminare, bei denen praktische Übungen und Argumentationstrainings dazu gehören. Kleingruppen können sich in sogenannte Breakoutrooms zu Gesprächen zurückziehen. Das klappt sehr gut. Die Interaktion lässt sich auch super mit Umfragetools aktivieren. Das lockert zum Beispiel die Vorstellungsrunde auf. So lässt sich schnell abfragen, woher die Teilnehmenden kommen. Oder statt eine Statistik vorzustellen kann ich die Gruppe fragen, wie sie auf Hatespeech reagieren. Das Ergebnis wird in einer lustigen Grafik angezeigt.

Und bei größeren Veranstaltungen?

Bei Veranstaltungen ab 100 Teilnehmenden sollte man lieber auf einen Vortrag mit anschließender Diskussion setzen. Dabei sind Chats sehr unkompliziert. Die Hürde ist geringer, ein paar Zeilen zu schreiben. Zumal die Technik sonst oft hakt: Oft ist Frage nicht zu hören, es dauert Minuten, bis das Mikrophon wieder funktioniert.

Worauf ist bei Digitalformaten noch zu achten?

Wichtig ist, sich Gedanken über die Sicherheit zu machen. So ist ratsam, bei Videokonferenzen nur angemeldete Gäste zuzulassen. Danach sollten die Leute ihren Namen anonymisieren, außerdem bei größeren Veranstaltungen ihre Kamera ausschalten, damit sie niemand vom Bildschirm abfotografieren kann. Wir achten ja auch bei Offlineveranstaltungen darauf, dass keine Rechten vor der Tür stehen und nicht gefilmt oder fotografiert wird.

Wo können sich Aktive praktische Unterstützung holen, wenn sie sich in der Onlinewelt noch nicht so gut zurechtfinden?

Wir empfehlen, einfach etwas zu experimentieren. Das meiste funktioniert schon irgendwie. Oft hilft, etwas zu googeln oder ein Erklärvideo bei YouTube anzuschauen. Schwieriger ist es, den didaktischen Anforderungen an digitale Formate gerecht zu werden. Dazu sind Fortbildungen sinnvoll, zum Beispiel von Stuhlkreis_Revolte, einem Kollektiv für emanzipatorische Bildungsarbeit. Kleinen NGOs ist zu empfehlen, einfach abzugucken, was andere so für Veranstaltungen machen. Wir werden bei der Amadeu Antonio Stiftung auch oft angerufen, wenn jemand einen Tipp braucht. Es gilt, in der Community zu gucken, wer es drauf hat – und sich gegenseitig zu helfen.

 

Interview mit Simone Rafael als PDF

Mehr Anregungen und Vorschläge für Veranstaltungen während der Internationalen Wochen gegen Rassimus 2021 gibt es in unserer Broschüre „IMPULSE“.

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