Kommentar zum Lagebericht „Rassismus in Deutschland“

der Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus

vom 11. Januar 2023

 

Der Lagebericht ist ein Meilenstein für die Arbeit gegen Rassismus in Deutschland, zu dem die Stiftung gegen Rassismus der Antirassismus-Beauftragten der Bundesregierung und ihren Mitarbeitenden gratuliert.

Rassismus hat viele Ursachen und erfordert vielfältige Maßnahmen zur Überwindung von Diskriminierungen. Die Antirassismus-Beauftragte bat in dem Austausch am 7. Februar 2023 im Bundeskanzleramt in Berlin um Hinweise auf Leerstellen und Impulse. Dazu nenne ich kurz acht Stichworte:

1. Der Nationale Aktionsplan betonte als erste Priorität: „Sensibilisierung von Mehrheitsgesellschaft und Institutionen“. Der vorgelegte Lagebericht konzentriert sich auf den staatlichen Bereich; künftig könnten die Beiträge der Zivilgesellschaft und der Ehrenamtlichen stärker analysiert und herausgearbeitet werden.

2. Der Bericht betont immer wieder wissenschaftliche Aufgaben, wobei wissenschaftliche Untersuchungen häufig magere Ergebnisse liefern und deshalb regelmäßig ein Mantra wiederholen, dass weitere Forschungen erforderlich sind.

Wissenschaftliche Untersuchungen sollten vor allem durch das Wissenschaftsministerium erfolgen, das dafür auch mehr Geld hat. Die Antirassismusbeauftragte könnte vor allem politische und praktische Maßnahmen fördern und wissenschaftlich begleiten.

3. Im Bericht fehlt die europäische Dimension. Die Überwindung von Rassismus macht europäische Kooperationen erforderlich.

4. Rassismus sieht in unterschiedlichen Lebensbereichen jeweils anders aus: Erforderlich sind daher Aktivitäten der großen gesellschaftlichen Verbände. Der Sport wird genannt. Wenig Beachtung finden Gewerkschaften und Unternehmen; es fehlen Bereiche wie die Bundeswehr, Feuerwehr oder Religionsgemeinschaften.

Das Forum gegen Rassismus könnte zur Entwicklung dieser Dimensionen genutzt werden.

5. Religionsgemeinschaften haben jede Woche mehr Teilnehmende als Fußballstadien. Zur Sensibilisierung der Zivilgesellschaft kommt ihnen eine große Bedeutung zu. Ein Beispiel: Über 1.800 Moscheegemeinden der großen muslimischen Verbände sind dazu bereit, jüdische Persönlichkeiten zu Ansprachen bei Freitagsgebeten anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus einzuladen. Das ist zu organisieren. Die Mittel dafür wurden in der Zeit der Ampel-Regierung gestrichen. Angesichts des Antisemitismus ist das sehr bedenklich. Übrigens ist es noch schwieriger, jüdische und muslimische Persönlichkeiten zu Ansprachen während der UN-Wochen gegen Rassismus in christliche Gemeinden zu vermitteln.

6. Die Überwindung von Rassismus ist eine langfristige Aufgabe. Nachhaltige Finanzstrukturen sind dafür erforderlich, die auch durch das Demokratiefördergesetz nicht geschaffen werden. Eine Möglichkeit ist die Einrichtung einer Stiftung, die nachhaltige Maßnahmen dauerhaft fördern kann.

7. Ein Beirat/Expertenrat führt eher zu abstrakten und papiernen Ergebnissen. Anbieten möchte ich die Kooperation des vorgesehenen Beirates mit der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Dadurch können Ergebnisse des Beirates bei den jährlich insgesamt über 4.000 Veranstaltungen zu den UN-Wochen gegen Rassismus umgesetzt werden.

8. Im Arbeitskreis Aktionstage für die Menschenwürde kooperieren Einrichtungen, die sich in jährlich weit über 10.000 Veranstaltungen mit zehntausenden Ehrenamtlichen für die Überwindung von rassistischen Strukturen einsetzen wie der Romaday, der Tag gegen antimuslimischen Rassismus, die Interkulturelle Woche, der Flüchtlingstag, der Tag der offenen Moschee, die Woche gegen Antisemitismus, die Woche der Brüderlichkeit und die Internationalen Wochen gegen Rassismus.

Die geschäftsführenden Personen dieser Einrichtungen baten mich darum, bei dem heutigen Austausch anzuregen, dass ein Logo, Symbol oder eine Fahne entwickelt werden, die antirassistische Aktivitäten miteinander verbinden und öffentlich sichtbar machen.

 

 

Jürgen Micksch

Berlin, 7. Februar 2023

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